Gedächtnistest

Wer kennt sie nicht, die peinlichen Alltagssituationen, wenn man den Namen der Nachbarin nicht mehr weiß oder den Schlüssel wieder einmal verlegt hat. „Mein Hirn lässt nach!“, seufzt so mancher älterer Mensch, wenn er wieder einmal etwas vergessen hat, während die Jüngeren noch mit flapsigen Bemerkungen ihre mangelnden Gedächtnisleistungen kommentieren.

Doch auch für die jüngere Generation besteht kein Grund zum Spaßen. Zwar geht man im Allgemeinen davon aus, dass Demenz erst ab einem Alter von 50 Jahren entstehen kann. In jüngeren Jahren kann jedoch „digitale Demenz“ drohen. Zumindest dann, wenn man den Ergebnissen einer Umfrage einer Job-Webseite in Südkorea Glauben schenkt. Dort beklagten von 2000 befragten Büroangestellten 63 Prozent, dass sie unter Vergesslichkeit leiden würden. Als Ursache gab ein Sechstel der Befragten die wachsende Abhängigkeit von digitalen Geräten, wie zum Beispiel Personal-Computern oder Handys, an.

Denn digitale Speicher sind mittlerweile überall zugänglich. Zu Hause oder am Arbeitsplatz, aber auch unterwegs auf Handy und Notebooks, überall sind sie als ausgelagertes Gedächtnis verfügbar. Mit Auswirkungen auf die Gedächtnisleistung: Statt die eigenen grauen Zellen zu bemühen, um sich Telefonnummern zu merken, muss der moderne Mensch vor allem eines: nämlich wissen, wo etwas zu finden ist. Navigationssysteme machen sogar die Orientierung an Orten überflüssig. Dies könnte einerseits die Möglichkeit bieten, die kognitiven Fähigkeiten für andere Aufgaben nutzen zu können. Andererseits sehen viele Menschen darin auch die Gefahr, dass die jetzige Generation wichtige Gedächtnisfunktionen verlernt. Schließlich wird bereits heute an Schulen weit weniger Wert aufs Auswendiglernen gelegt.

Doch gleichgültig, ob altersbedingte oder digitale Demenz vorliegt: Die Hinweise auf mangelnde Gedächtnisleistungen sind immer die gleichen. Wer sich häufig bei wichtigen Gelegenheiten nicht an Namen oder Telefonnummern erinnern kann oder abends schon vergessen hat, was er mittags gegessen hat, sollte sich und sein Erinnerungsvermögen etwas genauer beobachten.

Das Gedächtnis

Bereits in der Antike schätzten die Menschen das Gedächtnis und die Gedächtniskunst hoch ein. Der Dichter Simonides von Keos gilt allgemein als Erfinder der Gedächtniskunst, der seinen Erinnerungskünsten laut Cicero sein Leben verdankt. Simonides, der zu einem Gastmahl bei dem thessalischen Edlen Skopas eingeladen war, trug zu Ehren des Gastgebers ein Gedicht vor, in dem er auch die Zwillingsgötter Castor und Pollux pries. Als er seinen Lohn forderte, teilte ihm Skopas mit, er werde nur die Hälfte des vereinbarten Preises zahlen. Die andere Hälfte sollten Castor und Pollux zahlen, denen er schließlich die Hälfte des Gedichts gewidmet habe. Wenig später wurde Simonides die Nachricht überbracht, dass vor der Tür zwei junge Männer warteten und ihn sprechen wollten. Als er vor das Haus trat, um die beiden Männer zu treffen, konnte er aber niemand entdecken. Während dieser nach den beiden Ausschau hielt, stürzte das Haus des Skopas ein und begrub ihn und alle seine Gäste unter sich. Die Tatsache, dass die Zwillingsgötter den Dichter vor dem Einsturz aus dem Haus lockten, war ihre großzügige Bezahlung für das Loblied.

Im Mittelalter waren die Texte zur Gedächtniskunst weitgehend Bestandteil der Rhetorikausbildung. Erst Thomas von Aquin behandelte in seinem Werk der Summa Theologicae die Gedächtniskunst als Bestandteil der Prudentia, der Klugheit.

Die Wertschätzung des Gedächtnisses lässt sich somit bis in die Antike verfolgen. Bei der Suche nach dem Sitz des Gedächtnisses haben sich die Forscher allerdings viel schwerer getan. In den 50er und 60er Jahren entwickelte man eine Theorie, nach der Erinnerung in Form verschiedener Eiweiß-Moleküle im Gehirn existiert. James McConnel, ein Vertreter dieser Theorie, wagte ein ausgefallenes Experiment. Er brachte er Plattwürmern bei, Licht zu meiden. Die Erfolgreichen seiner Schüler zerkleinerte er in einem Mixer und verfütterte sie an ihre Artgenossen in der Annahme, dass die so gefütterten Würmer das Wissen ihrer klugen Verwandten durch ihr Verspeisen erworben hätten. Damals titelte die New York Times: „Verspeisen Sie Ihren Professor!“

Auch die sogenannte Theorie der Großmutterzelle, die bis in die 70er Jahre aktuell war, erwies sich als Irrtum. Sie besagte, dass eine Erinnerung, zum Beispiel an die eigene Großmutter, in einer Nervenzelle gespeichert wird. Der Umstand jedoch, dass im Gehirn ständig Nervenzellen absterben, widerlegte schließlich diese Auffassung. Sonst müsste es im Gehirn mit dem Absterben der Zellen zum Auslöschen ganzer Gedächtnisinhalte kommen und die Erinnerung an die Großmutter irgendwann verloren gehen.

Grundlage des Gedächtnisses: das Gehirn

Ausgewachsen ist es etwa 1400 Gramm schwer, es hat die Konsistenz eines weichen Eis und würde bequem auf einer großen Handfläche Platz finden. Die Rede ist vom menschlichen Gehirn. Ein ausgereiftes menschliches Hirn weist mehr als 100 Milliarden von Nervenzellen, oder auch Neuronen genannt, auf und jede einzelne dieser Zellen ist mit bis zu 10.000 anderen verbunden. Zur Veranschaulichung: In einem Gehirnstückchen in der Größe eines Streichholzkopfes gibt es mehr als eine Milliarde Verknüpfungen.

Wie kommt es nun dazu, Erfahrungen und Erinnerungen im Gedächtnis zu speichern. Das Modell der neuronalen Netzwerke scheint nach heutigem Kenntnisstand der Wirklichkeit am nächsten zu kommen. Die Milliarden von Nervenzellen organisieren sich in Nervengruppen, die miteinander in Kontakt stehen, vergleichbar mit einem gigantischen Kabelnetz, in dem entlang der Nervenbahnen Strom fließt. Wird eine Zelle durch einen neuen Reiz stimuliert, verändert sie in kurzer Zeit ihren Zustand. Entweder wird sie gehemmt oder erregt, das heißt sie „feuert“. In diesem Fall werden auch die dahinter liegenden Nerven dazu veranlasst zu feuern.

Was passiert nun, wenn wir uns erinnern, zum Beispiel an unsere Großmutter? Nach Ansicht der Gedächtnisforscher entspricht jedes Gesicht einer bestimmten Kombination von Nervenzellen, die gemeinsam feuern. Durch die gemeinsame elektrische Aktivität entsteht ein Muster im Gehirn, das das Gesicht der Großmutter repräsentiert. Auch für andere Gegenstände oder Sachverhalte gibt es ein bestimmtes Muster an Nervenzellen, die gemeinsam aktiv sind. Jede Information wird also von einer Gruppe von Neuronen repräsentiert, die sich als Informationsnetzwerk selbst organisieren. Dabei kann jede Nervenzelle an einer großen Anzahl von Nervengruppen und somit auch an einer großen Zahl von Informationseinheiten teilhaben. Erinnern ist somit nichts anders als ein Verschalten von Nervenzellen.

Ein weiteres Funktionsprinzip des Gehirns ist Arbeitsteilung. Um neue Informationen einzuspeichern oder um sich zu erinnern, sind immer mehrere Gehirnregionen aktiv, das heißt, die Informationen werden mehrfach verarbeitet. Beide Hirnhälften arbeiten zusammen. Die linke Hirnhälfte ist eher für die sprachliche Einordnung und Kategorisierung, die rechte für Gefühle und Bilder zuständig.

Doch warum kann man sich an bestimmte Informationen noch nach Jahren erinnern, während andere sehr schnell vergessen sind? Beim kurzfristigen Merken – zum Beispiel einer Telefonnummer – verblasst das Neuronenmuster sehr schnell, da wenige Nervenzellen beteiligt und diese nur sehr locker miteinander verbunden waren. Bei dauerhaften Erinnerungen vermutet man, dass das Muster wegen der Beteiligung einer großen Anzahl von Neuronen stärker ist. Außerdem werden wichtige Informationen häufig erinnert, die Verbindungen zwischen den Nervenzellen werden dadurch stabilisiert.

Die verschiedenen Gedächtnisarten

Die Frage, welche Informationen aus der Umwelt aufgenommen werden und wie sie in das Langzeitgedächtnis gelangen, wird hier erörtert. Üblicherweise unterscheidet man drei Systeme.

Die große Anzahl ständig neuer Sinneseindrücke erreicht das Gehirn über die Sinnesorgane und wird in dem sensorischen Gedächtnis zwischengespeichert. Diese zerfallen allerdings schon nach wenigen Zehntelsekunden. Nur wenn einem Sinneseindruck Aufmerksamkeit zugewandt wird, kann er als Information ins Kurzzeitgedächtnis gelangen.

Das Kurzzeitgedächtnis, auch Arbeitsspeicher oder Arbeitsgedächtnis genannt, hält eine kleine Menge von Informationen in einem aktiven, jederzeit verfügbaren Stadium bereit. Die gespeicherten Sinneseindrücke sind dabei auf etwa sieben Informationseinheiten beschränkt. Dabei kann es sich um einzelne Buchstaben oder Gruppierungen von Einheiten, wie zum Beispiel Sätze handeln. Durch Wiederholen können diese Informationen bis zu 30 Minuten erinnert werden.

Die Informationen, die länger bestehen bleiben, werden meist auch in den nächsten Tagen nicht vergessen und arbeiten dem Langzeitgedächtnis zu. Dem Verfall neuer Informationen kann durch häufige Wiederholung entgegengewirkt werden und es ermöglichen, dass die Eindrücke in das langsamer verarbeitende Langzeitgedächtnis überführt werden.

Informationen oder Lernstoff gelangen in das Langzeitgedächtnis schließlich erst nach einem längeren inneren Verarbeitungsprozess, bei dem ganz verschiedene Hirnregionen beteiligt sind. Im Sinne eines Verarbeitungskreislaufes wirken diese zusammen. Voraussetzung für eine Aufnahme ins Langzeitgedächtnis ist eine stete und langfristige Wiederholung. Einfache und grundlegende Informationen werden zudem gewissermaßen als Netz dazu benötigt, schwierige, komplexe und abstrakte Informationen einzufangen und sinnvoll zu speichern. Wenn Lernstoff an Sinn und Bedeutung schon gelernten Informationen aufbaut und anknüpft, kann er besonders gut behalten werden. Theoretisch können dann Informationen von einer unbegrenzten Menge gespeichert werden.

Nach weitverbreiteten Annahmen kann das Langzeitgedächtnis unterschieden werden in das deklarative (explizite) Gedächtnis und das nicht-deklarative (implizite) Gedächtnis. Kennzeichen des deklarativen Gedächtnisses ist, dass sich seine Inhalte sprachlich wiedergeben lassen. Es wird wiederum unterteilt in das semantische und das episodische Gedächtnis. Das semantische Gedächtnis ist für die Speicherung von Faktenwissen zuständig. Wie ein geistiges Wörterbuch finden sich hier abstrakte Begriffe, mathematische Formeln oder Regeln. Die einzelnen Begriffe und Regeln stehen in einer sinnvollen Beziehung zueinander und bilden ein Begriffsnetz. Das episodische Gedächtnis bewahrt Wissen über den Lebenslauf auf und über alles, was wir erfahren, wahrnehmen und erleben. Es verleiht menschlichem Leben eine Zeitstruktur und verknüpft Erinnerungen mit Orten. Durch die Erinnerungsbilder ist das sensorische Gedächtnis gefühlsintensiv und plastisch.

Daneben verfügen Menschen noch über das nicht-deklarative Gedächtnis. Dessen Inhalte sind sprachlich nicht explizierbar. Dazu zählt das prozedurale Gedächtnis. Es bewahrt Fertigkeiten und Verhaltensroutinen auf, wie zum Beispiel Fahrradfahren oder das Binden von Schnürsenkeln. Den Inhalten des prozeduralen Gedächtnisses ist gemeinsam, dass sie ohne Einschaltung des Bewusstseins das Verhalten der Menschen beeinflussen können. Die eingeübten Bewegungsabläufe können abgerufen und ausgeführt werden, ohne dass dabei nachgedacht werden muss.

Gedächtnistest: vom Internet zum Arzt

Wer schwer lernt oder häufig etwas vergisst, stellt sich oft die bange Frage, ob die eigene Vergesslichkeit noch im Rahmen des Normalen ist. Gerade ältere Menschen sind verunsichert, wenn sie altersbedingte Demenz oder die gefürchtete Alzheimer Krankheit vermuten. Viele scheuen auch den Gang zum Arzt, weil sie sich für die eigene Vergesslichkeit schämen.

Eine gute Möglichkeit, diese Scheu zu überwinden, ist es, einen anonymen Test im Internet zu machen. Dabei sollte man darauf achten, dass der Test die unterschiedlichsten Fähigkeiten des Gedächtnisses abfragt. Wie gut kann die Testperson sich nach kurzer und längerer Zeit an Bilder und deren Anordnung, an Zahlen und Gesichter erinnern? Weiter wird die Konzentrationsfähigkeit getestet und wie schnell man erkennt, ob eine Aussage wahr oder falsch ist. Die meisten Tests dauern etwa 20 Minuten. Danach erscheint auf dem Bildschirm die Auswertung. Diese Tests können durchaus auch als Gehirnjogging oder –Training angesehen werden. Das Gedächtnis lässt sich zwar nicht wie ein Muskel trainieren. Es ist aber für die Gedächtnisleistung hilfreich, sich immer wieder mit neuen Dingen und Situationen auseinanderzusetzen, wie es durch das Lösen der Aufgaben gefördert wird.

Daneben sind im Internet aber auch Fragebögen zu finden, in denen nicht die Gedächtnisleistung abgefragt wird, sondern der Teilnehmer nach seinen Gedächtnisschwächen befragt wird. Die Testperson kann dabei herausfinden, inwieweit sich die eigene Vergesslichkeit im Rahmen des Normalen befindet oder schon ein bedenkliches Ausmaß annimmt. Ganz gleich, für welche Art eines Gedächtnistests man sich entscheidet, jeder Teilnehmer sollte sich bewusst sein, dass Diagnosen über das Internet nicht möglich sind. Bei schlechten Testergebnissen empfiehlt es sich aber auf jeden Fall, den Arzt aufzusuchen.

In einigen Kliniken sind mittlerweile auch Gedächtnisambulanzen oder - auf Neudeutsch - Memory-Kliniken eingerichtet worden, um Menschen mit Gedächtnisstörungen gezielt helfen zu können. Hier arbeiten Internisten, Neurologen, Psychiater und Psychologen eng zusammen, um Patienten, die unter Hirnleistungsstörungen leiden, die notwendige Gewissheit zu geben und ihnen Rat und Hilfe zu vermitteln. Auch anonyme Sprechstunden werden ab und zu in diesen Abteilungen abgehalten, um die Hemmschwelle, ärztlichen Rat in Anspruch zu nehmen, zu senken.

Denn Gewissheit über das Vorliegen einer Hirnleistungsstörung können nur Ärzte geben. Eine beginnende Alzheimerdemenz lässt sich heute durch den Einsatz von sogenannten psycho- metrischen Tests gut diagnostizieren. Diese Demenztests, die im Rahmen von Gedächtnissprechstunden, Gedächtnisambulanzen, sogenannten Memory-Kliniken oder beim Hausarzt abgehalten werden, sind wissenschaftlich erprobte und standardisierte Verfahren zur Beurteilung der Gehirnleistung. In 95 Prozent der untersuchten Fälle konnte eine sich anbahnende Erkrankung frühzeitig erkannt. Ferner können mithilfe der Tests demenzielle Erkrankungen etwa von einer Depressionserkrankung oder anderen behandelbaren Krankheitsfaktoren – wie zum Beispiel niedrigem Blutdruck oder Flüssigkeitsmangel – unterschieden werden. Denn auch hierdurch können Gedächtnisstörungen auftreten. In diesen Fällen sind die Therapiechancen oft sehr gut, da sich zum Beispiel Depressionen mit Medikamenten erfolgreich behandeln lassen.

Auch im Falle einer Alzheimerdemenz ist ein frühes Erkennen hier von großem Vorteil, auch wenn es heute noch kein Heilmittel gibt. Denn mit Medikamenten lässt sich der Verlauf der Krankheit verzögern und ihre Symptome können gelindert werden.

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